00:00:06: Herzlich willkommen beim Ärztetag, dem Podcast der Erzezeitung.
00:00:10: Mein Name ist Andrea Schudock, ich bin Redakteurin im Medizinressort.
00:00:14: Kürzlich wurde die S-III-Leitlinie zu nicht-spezifischen Nackenschmerzen aktualisiert.
00:00:20: Über diese Leitlinie möchten wir heute sprechen.
00:00:22: Einerseits über die Redflex von akuten Nackenschmerzen, dann allerdings auch über die Therapie, insbesondere über Bewegung und Mobilisation.
00:00:32: Einige Patienten haben auch Angst davor, sich mit rakuten Nackenschmerzen zu bewegen.
00:00:37: Dies ist auch ein Thema in diesem Podcast und wir möchten auch über Schmerzeducation sprechen.
00:00:43: Also was muss ich den Patientinnen und Patienten erklären, damit ihnen diese Angst vielleicht genommen werden kann?
00:00:50: Natürlich blicken wir zuletzt auch noch ein bisschen auf die chronischen Nackenschmerzen und all das tun wir mit Professor Thomas Kötter.
00:00:58: Er ist der Koordinator der neuen Leitlinie.
00:01:01: Außerdem arbeitet er als angestellte Allgemeinmediziner mit Zusatzbezeichnung Girotherapie in einer Praxis in Lübeck und er lehrt am Institut für Allgemeinmedizin der Universität Lübeck.
00:01:13: Guten Tag Herr Kötter.
00:01:16: Es geht ja in der Leitlinie um nicht-spezifische Nackenschmerzen.
00:01:19: Wichtig ist es also, im ersten Schritt erstmal für den Arzt und die Ärztin festzustellen, ob es denn wirklich nicht-spezifische Nackenschmerzen sind, also die wichtigsten Red Flex zu erkennen, die auf strukturelle Veränderungen hinweisen.
00:01:34: strukturelle Ursachen für die Nackenschmerzen.
00:01:36: Was sind denn da die wichtigsten Red Flags?
00:01:38: Also zunächst erstmal, was sind überhaupt strukturelle Ursachen bei Nackenschmerzen?
00:01:43: Strukturelle Ursachen können sein einen Bandscheibenvorfall, Faktor, Tumor, Entzündung.
00:01:50: Und da gibt es eben Zeichen in der Anamnese und in der körperlichen Untersuchung, die darauf hinweisen, dass eine solche strukturelle Ursache vorliegen könnte.
00:02:00: In der Anamnese sind das z.B.
00:02:03: neurologische Ausfallerscheinungen in der oberen Extremität.
00:02:07: Es sind auch nachtsbestehende, dauerhafter Schmerz, die beispielsweise auf eine Entzündung hindeutet.
00:02:15: Dann ist das ein Trauma in Stadt gehabtes, was z.B.
00:02:19: auf eine Fraktur hindeuten könnte oder auch eine Krebserkrankung in der Anamnese.
00:02:25: was wiederum auf einem Tumor zum Beispiel eine Metastase eines Tumors als Ursache der Nackenschmerzen hindeuten könnte.
00:02:31: Es wird ja empfohlen, dass wenn nach der Anamnese und nach der körperlichen Untersuchung keine Hinweise und keine dieser Redflex beobachtet werden, dann soll auch keine bildgebende Diagnostik stattfinden und auch keine utänemäßige Laboruntersuchung durchgeführt werden.
00:02:50: Wann wird jetzt eher noch mal zur Bildgebung geraten und wann eher zu einer Laboruntersuchung?
00:02:58: Also wenn ich Hinweise auf eine strukturelle Ursache finde und ich habe Hinweise beispielsweise auf einen Bandscheibenvorfall, dann wird schon zur Bildgebung geraten, insbesondere wenn motorischer Ausfall Erscheinungen bestehen, also Paresen.
00:03:13: Hier raten wir dann am ehesten zu einer Schnittbildgebung beispielsweise MRT.
00:03:19: Das Gleiche gilt, wenn ich den Verdacht auf eine Fraktur habe.
00:03:22: Auch hier ist der Rat zur Bildgebung da oder einem Tumor.
00:03:26: Bei der Entzündung ist es dann eher das Labor, was uns Zifferenzialdiagnostisch weiterbringen könnte.
00:03:32: Okay, vielen Dank schon mal dafür.
00:03:35: Dann würden wir im nächsten Teil mal zur Therapie kommen.
00:03:39: Kurz gesagt sind die Empfehlungen so, dass die wirksamste Therapie die Bewegung ist.
00:03:45: Überschätzt werden hingegen laut Leitlinienautoren die Effekte von Allergetika einerseits, aber andererseits auch von passiven Therapien wie zum Beispiel Massagen, Akupunktur, physikalischen Methoden, Taping usw.
00:04:00: Schmerzmittel an erster Stelle NSAR und auch Wärme sollen nur angewendet werden, um eine Schonhaltung zu vermeiden und um die Patienten in Bewegung zu bringen.
00:04:10: Also kurz gesagt, das geht um mehr Bewegung.
00:04:14: Ist das richtig so?
00:04:15: Ganz genau.
00:04:16: Das ist das, was die Recherchen zu dieser Leitlinie noch einmal eindrucksvoll gezeigt haben, dass es eben darauf ankommt, Patientinnen und Patienten in die Aktivität zu bringen.
00:04:25: Wir haben ja aber natürlich Personen, die mit ihren Nackenschmerzen häufig befürchten, ach, wenn sie sich jetzt bewegen, dann wird das alles nur noch schlimmer.
00:04:33: Oder die eine Schonhaltung einnehmen, um eben Bewegungen, die den Schmerz vielleicht noch verschlimmern könnten, zu vermeiden.
00:04:41: Und da spielen eben Schmerzmittel eine wichtige Rolle, um praktisch die Bewegung zu ermöglichen.
00:04:48: Und auch einzelne passive Therapiemethoden gezielt eingesetzt, wie beispielsweise Manipulation.
00:04:55: Mobilisation, um eben die Aktivierung, die Bewegung möglichst schmerzfrei zu ermöglichen.
00:05:02: Sie haben jetzt gerade schon die Angst vor der Bewegung angesprochen.
00:05:06: Dazu möchte ich gleich auch noch kommen.
00:05:08: Zunächst wollen wir aber mal darüber sprechen.
00:05:11: Ich habe nämlich in der Leitlinie vergeblich danach gesucht, dass es eigentlich keine wirklichen Empfehlungen zu spezifischen Übungen, spezifischen Sportarten ausgesprochen werden können.
00:05:22: Was würden Sie denn als Hausarzt und Allgemeinmediziner Ihren Patienten konkret mitgeben?
00:05:28: Also wichtig ist erst mal, dass es zur Aktivität kommt und wichtig ist nicht primär bzw.
00:05:34: ist auch nicht gut erforscht, welche Art von Bewegung jetzt am besten hilft im Sinne von möglichst schneller Schmerzfreiheit, möglichst schneller Wiederherstellung der Funktion und Arbeitsfähigkeit vielleicht auch.
00:05:47: Ich empfehle meinen Patientinnen und Patienten einige wenige leicht durchführbare Mobilisationsübungen für die Halshöhe Säule, die ich auch im Sprechzimmer demonstriere und rate ihn eben sich mit diesen Nackenschmerzen jetzt nicht.
00:06:03: Abziehung auf Sofa zu legen und vielleicht dann auch noch was Nackenschmerzen eher vielleicht auch befördern könnte, dann ja die berühmte Serie zu schauen oder im Internet zu surfen, sondern eben sich normal wie im Alltag sonst auch zu bewegen.
00:06:18: Sie haben jetzt gesagt Übungen zur Mobilisation.
00:06:21: Können Sie vielleicht einmal so Ihre Top drei Übungen beschreiben, die Sie so am Anfang erst mal jedem Patienten mit Nackenschmerzen mitgeben würden?
00:06:30: Die Top drei Übungen sind, und bei mir sind es tatsächlich drei Übungen, einmal eine Kopfwendung zur Seite, ganz einfach den Kopf in aufrechter Stellung der Halsübelsäule nach rechts, in der noch schmerzfrei oder schmerzarm erreichten, Hilfposition halten und dann rüberwenden zur anderen Seite.
00:06:50: Das kann man dann ein paar Mal in Folge machen.
00:06:53: dann zur Übung zwei überzugehen.
00:06:55: Das ist dann die Übung Kopfwendung in Inklination, also das Kinn auf die Brust und dann mit dem Kinn über die Brust zur Seite, den Kopf in der Position, die dann noch gerade schmerzfrei oder schmerzarm erreichbar ist, halten und dann mit dem Kinn über die Brust rüber zur anderen Seite, auch da wieder einige Wiederholungen und dann Übergang zur dritten Übung.
00:07:21: dass sogenannte Doppelkinn in gestreckter Halswirbelsäulenhaltung dann eben so tun, als ob man einen Doppelkinn provozieren würde.
00:07:30: Damit wird die Halswirbelsäule nochmal aufgerichtet.
00:07:33: Und es wird dieser ja vielleicht auch weitverbreiteten Fehlhaltung, also der Inklination der Halsübel solle nach oben unten der Blick auf das Smartphone sozusagen oder auf den Bildschirm im Allgemeinen entgegengewirkt.
00:07:46: Diese drei Übungen demonstriere ich dann auch im Sprechzimmer und gebe sie den Patientinnen und Patienten auf.
00:07:51: Das klingt ja erst mal auch für jeden machbar, was natürlich auch ein guter Vorteil ist.
00:07:56: Die Übungen sollen wahrscheinlich dann täglich durchgeführt werden.
00:07:59: Ich rate sogar zu, die mehrfach täglich, zwei bis dreimal täglich durchzuführen und auch nicht nur, wenn Geschmerzen bereits bestehen, sondern auch als Prävention beispielsweise bei Personen, die am Bildschirm arbeiten, zwischendurch sich einfach eine Erinnerung hinzulegen oder einzustellen, dass diese Übungen.
00:08:19: weiter am Tag durchgeführt werden.
00:08:21: Gibt es denn zusätzlich zur Mobilisation?
00:08:24: Raten Sie denn dem Patienten auch zu einer Art Muskelaufbau der Nackenmuskulatur oder eher vielleicht auch zum den noch mal zusätzlich zu den genannten Übungen?
00:08:36: Wie sind da Ihre Erfahrungen, was mehr hilft?
00:08:39: Also Bewegungstechniken, wie beispielsweise Pilates, die einen Muskelaufbau und eine Dehnung kombinieren.
00:08:47: Yoga gehört auch dazu, empfehle ich gerne.
00:08:51: Natürlich ist auch ein gesundheitsorientiertes Krafttraining im Fitnessstudio zu empfehlen.
00:08:56: Da muss aber letztlich jeder und jeder das finden, was zu ihr zu ihm auch passt und was in den Alltag integrierbar ist.
00:09:04: Gibt es auch Sportarten, wo Sie sagen würden, die sollten vielleicht erst mal ausgesetzt werden und stattdessen eben auf die genannten Übungen umgeschwenkt
00:09:14: werden?
00:09:14: Ja, also Sportarten, so Kontakt-Sportarten oder Ballsportarten, wo also vielleicht unvorheirgesehene Kopfwendungen oder Kopfbewegungen auch nötig sind oder sogar Erschütterungen passieren können oder Sportarten, wo ich die, als wir will, so lange in einer Position halten muss, also statisch.
00:09:33: Die sind ja bei Nackenschmerzen erstmal nicht zu empfehlen und da würde ich empfehlen, das zu pausieren.
00:09:38: Jetzt stellt sich natürlich die Frage, Sie geben die Empfehlung zur Bewegung jetzt Ihren Patienten an die Hand.
00:09:46: Wie viele Wochen sollten die Bewegungen jetzt erstmal durchgeführt werden, die Mobilität erhöht werden, bevor wieder erneut nachgeschaut werden kann, ob es zu einer Besserung kommt?
00:10:00: Das ist sehr unterschiedlich.
00:10:02: Also ich gebe jedem Patienten, jeder Patientin mit auf dem Weg, dass wenn es zu keiner Besserung kommt und da würde ich bei den Nackenschmerzen erst mal sagen innerhalb von einer Woche oder wenn es sogar zu einer Verschlechterung kommt, dass die Patienten sich dann selbstständig wieder bei mir vorstellen sollen zu einer Verlaufskontrolle.
00:10:20: Oder wenn andere Symptome dazu kommen, wenn beispielsweise noch neurologische Ausfallerscheinungen dazu kommen, dann dass sie sich natürlich sofortig wieder vorstellen.
00:10:28: Wie ist so Ihre Erfahrung, wenn die Patienten sich erneut vorstellen, liegt es daran, dass sie nicht adärent waren oder dass wirklich andere Ursachen hinter den Nackenschmerzen liegen?
00:10:39: Spezifische Ursachen finde ich auch bei zweiten Kontakt sehr selten.
00:10:45: Ich kann aber nicht sagen, dass vielleicht eine mangelnde Adärenz dahinter steckt.
00:10:49: Die Ursachen von Nackenschmerzen sind ja vielschichtig.
00:10:52: Also das sind ja nicht nur die klassische falsche Bewegung, sondern da gibt es ja auch psychosomatische Zusammenhänge beispielsweise beruflicher Stress, der damit dahinterstecken kann.
00:11:04: Das sind Themen, die dann eventuell bei einem zweiten Termin noch ausführlicher angesprochen werden können und die vielleicht dafür sorgen, dass die Nackenschmerzen jetzt nicht, wie wir das uns erhoffen, nach wenigen Tagen schon spürbar rückläufig sind.
00:11:21: Kommen wir jetzt zu dem Thema der Angst, wie Sie ja auch schon gesagt haben.
00:11:26: Fürchten einige Patientinnen und Patienten sich davor, dass die Bewegung ihnen schaden könnte?
00:11:32: So ist es.
00:11:33: Ist es Ihrer Erfahrung nach eher so, dass die Patienten ihre Ängste direkt ausformulieren oder dass sie eher in einen Vermeidungsverhalten rutschen, ohne dass Arzt oder Ärztin es jetzt mitbekommt?
00:11:46: Also konkret ausformulieren tun Patientinnen und Patienten das selten.
00:11:50: indem Sie sagen, Mensch, ich halte meinen Kopf jetzt hier so still, weil ich vermute, wenn ich den jetzt bewege, dass ich da noch was kaputt machen könnte oder sowas.
00:11:58: Das ist eher unbewusste Prozesse oder nicht ausgesprochene Ängste.
00:12:04: Und wie lassen sich dann die Patienten finden, die diese Ängste haben?
00:12:08: Indem man das proaktiv anspricht.
00:12:11: Und beispielsweise nach der Anamnese und der körperlichen Untersuchung bei Fehlens von Zeichen für strukturelle Ursachen.
00:12:20: das auch verbalisiert und sagt, ich habe jetzt hier eine körperliche Untersuchung durchgeführt und sie befragt und ich kann jetzt möglicherweise mit ausreichender Sicherheit ausschließen, dass da etwas dahinter steckt, was sich verschlimmern könnte, wenn sie sich bewegen, sondern im Gegenteil, sie haben jetzt die Möglichkeit durch Bewegung, durch Aktivität selber dafür zu sorgen, dass diese Schmerzen schneller wieder besser werden.
00:12:44: Also den Patienten zu vermitteln, dass sie jetzt eine Chance haben, selber etwas zu tun und damit selber ihre Lage zu verbessern.
00:12:51: Genau, das fördert die Selbstwirksamkeit und damit signalisiert man auch, also das ist jetzt etwas, was Sie selber in der Hand haben, wo Sie selber einen Einfluss darauf haben, wie lange diese Schmerzen bestehen.
00:13:04: Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert, denn wie eben schon festgestellt haben, ist es natürlich so, dass wir den Verlauf nicht vorher sagen können und dass das auch oft vielschichtig ist und dass da auch Faktoren dahinter stecken, die die Patientinnen und Patienten nicht selber in der Hand haben.
00:13:19: Deswegen wäre es ja auch unfair und vielleicht ein unverhältnismäßiger Erwartungsdruck, wenn man sagen würde, also sie müssen sich nur bemühen und dann werden diese Schmerzen schon von selber wieder verschwinden.
00:13:31: Also so ganz absolut kann man das natürlich nicht formulieren und man darf natürlich immer nicht vergessen, wie viel schichtig das ist und dass da Sorgen Ängste dahinterstecken könnte, die vielleicht auch so im Sprechzimmer erst mal nicht formuliert werden.
00:13:45: Und wenn man das aber im Kopf hat und vielleicht sogar dann eben danach fragt, dann bekommt man ja auch raus, ob da vielleicht doch irgendwie familiäre Stress, beruflicher Stress, andere Faktoren mit eine Rolle spielen, die man vielleicht auch.
00:13:58: Zum Beispiel, dass Hausärztin oder Hausarzt mit angehen kann.
00:14:03: Eine Möglichkeit, den Patienten die Angst zu nehmen, kann ja auch sein, sie über den Schmerz und wie der Schmerz zustande kommt, genauer aufzuklären.
00:14:15: Also eine Patienteneducation, die wird auch mit einer Sollteempfehlung in der Leitlinie empfohlen.
00:14:22: Wie erklären Sie denn Ihren Patienten, wie wichtig Bewegung für Ihren Krankheitsverlauf ist?
00:14:26: Haben Sie da so ein paar konkrete Formulierungen für unsere Hörerinnen und Hörer?
00:14:31: Also wichtig ist erst mal wirklich zu vermitteln, dass der Schmerz, den die Patientinnen und Patienten verspüren, dass der sehr stark sein kann bei Nackenschmerzen.
00:14:40: Aber und wenn man dann in Ananeser- und körperlichen Untersuchungen entsprechend befunden erhoben hat, eben nicht korreliert mit einer Gewebeschädigung, Gewebezerstörung.
00:14:51: Das ist ja schon mal ein wichtiger Bestandteil dieser Patienten-Education, dass man eben sozusagen ein Bewusstsein dafür schafft, da ist ein Schmerz, aber es ist kein eins zu eins Abbild dessen, was da im Gewebe jetzt gerade vor sich geht.
00:15:06: Das ist, glaube ich, für mich eine der wichtigsten Punkte der Aufklärung der Patientinnen und Patienten.
00:15:11: Und dann kommt eben der zweite Teil.
00:15:14: Und wenn wir das wissen, dann wissen wir auch, dass Bewegung oder das gezielte Bewegen und Mobilisieren, dass das eben in der Lage ist, diese Schmerzprozesse, die dort ablaufen und die nichts mit Gewebezerstörung oder Gewebeschädigung zu tun haben, dass sie die schneller in der Lage sind sozusagen zu unterbrechen.
00:15:35: Patienten können ja mit bestimmten Glaubenssätzen über den Schmerz in die Praxis kommen.
00:15:41: Also Einstellungen, die sie dem Schmerz zuschreiben und wo es schwierig ist, sie vielleicht vom Gegenteil zu überzeugen.
00:15:50: Ich habe mal vier solcher Glaubenssätze mitgebracht und vielleicht können sie quasi jeden von denen einmal relativieren, so wie man es auch im Patientengespräch tun könnte.
00:16:02: Also ein Patient könnte in die Praxis kommen und sagen, mein Nacken ist kaputt, mein Körper ist kaputt.
00:16:08: Was würden Sie dann erklären?
00:16:10: Also ich würde erklären, dass, wenn man jetzt hier in der Fußgängerzone der jeweiligen Stadt, hundert Leute rekrutieren würde und bei allen jetzt beispielsweise mal ein MRT machen würde, der Wirbelsäule, dass man bei ganz vielen Menschen und das ist auch altersabhängig Schäden im Bereich der Wirbelsäule feststellen würde.
00:16:30: dass diese Schäden im Bereich der Wirbelsäule aber bei den meisten Menschen nicht zu Beschwerden führen und auch bei den Menschen, die Beschwerden haben, nicht unbedingt diese im Bild sichtbaren Schäden, überhaupt die Ursache für die Schmerzen sind.
00:16:46: Das ist etwas, was man wissenschaftlich gut untersucht ist und was man weiß.
00:16:51: Das heißt, der Glaubenssatz, mein Körper ist kaputt.
00:16:54: Und deswegen werde ich diese Schmerzen vielleicht nicht mehr los oder ich brauche jetzt eine Bildgebung zu schauen, was dahinter steckt oder sowas.
00:17:01: Den kann man mit so einer Geschichte aus meiner Sicht ganz gut entkräften.
00:17:06: Der zweite Glaubensatz ist, der Schmerz tritt permanent auf und er lässt sich nicht verändern.
00:17:11: Auch hier würde ich wieder einhaken und würde die Patienten fragen, Patientinnen fragen, wie es beispielsweise Nacht ist, ob sie da auch Schmerzen haben und dann.
00:17:21: Kriegt man oft raus, ja nachts ist es vielleicht weniger, auch wenn die Flagg-Moms schon damit aufwachen, aber das kann man dann ja schon als Beispiel nehmen dafür, dass der Schmerz nicht permanent in gleicher Intensität da ist, sondern dass man den Schmerz durchaus modulieren kann und dass eben auch wieder dieser Schmerz eben nicht mit einer Gewebischädigung korreliert und dass dieser Schmerz Auch das wissen wir aus Studien in vielen Fällen innerhalb von wenigen Tagen gänzlich wieder verschwindet oder schon spürbar besser ist.
00:17:56: Der dritte Glaubenssatz wäre, der Schmerz ist komplex.
00:17:59: Es gibt dafür keine einfache Lösung, wie zum Beispiel Bewegung.
00:18:03: Das würde ich gerne dann aufgreifen und sagen, ja, das stimmt.
00:18:05: Der Schmerz ist komplex.
00:18:07: Also die Schmerzwahrnehmung ist komplex.
00:18:13: Bewegung ist ein wichtiges Mittel, beispielsweise auch um andere Schmerzursachen, wie zum Beispiel Stress abzubauen oder aber auch eine Vorschädigung der Wirbelsäule, die mit auch noch Rolle spielen kann, also beispielsweise Alterungserscheinungen an den Wirbelkörpern oder Bandscheiben, wo man auch weiß, dass dort die beste Vorbeugung und beste Therapie ist, das Ganze in Bewegung zu halten, in Bewegung zu bringen.
00:18:40: Okay, und der letzte Glaubenssatz ist, Schmerzen sollen vermieden werden.
00:18:45: Grundsätzlich ist das ja etwas, würde ich den Patientinnen und Patienten entgegnen, wie wir als Menschen strukturiert sind, wie wir gelernt haben, Schmerzen zu vermeiden, bedeutet eben unser Überleben wahrscheinlicher zu machen.
00:18:58: Deswegen empfinden wir Schmerzen, wenn wir zum Beispiel die Hand auf eine Herdplatte setzen.
00:19:03: Und dann ist ein Reflex, ich möchte den Schmerz vermeiden, tief in uns drin, noch bevor es uns bewusst wird.
00:19:09: ziehen wir die Hand zurück.
00:19:11: Jetzt ist es aber so, dass eben die Schmerzen, die Nackenschmerzen, die nicht spezifisch genannt werden, eben kein Ausdruck von einer Gefahr bei uns sind.
00:19:23: Das heißt also, wenn wir diese Schmerzen haben, dann bedeutet das nicht, dass unsere Gesundheit in Gefahr ist, dass wir vielleicht kürzer leben oder sonst was.
00:19:31: Trotzdem ist das eben tief in uns drin.
00:19:33: Hier müssen wir diesen Reflex, die Schmerzen zu vermeiden.
00:19:38: möglichst überwinden, weil gezeigt werden konnte, dass die Bewegung wird dann eben einschränken, um den Schmerz zu vermeiden.
00:19:46: Er günstig ist in dem Fall, um die Schmerzen wieder loszuwerden.
00:19:51: Okay, vielen Dank schon mal dafür.
00:19:53: Was ich mich jetzt natürlich auch noch frage, ist, dass diese Patienten-Education im Allgemeinen ja auch belehrend auf den einen oder anderen Patienten wirken könnte.
00:20:04: Was sind da Ihre Erfahrungen?
00:20:06: Wollen die Patienten überhaupt in Anführungszeichen belehrt werden?
00:20:10: Das ist sehr individuell unterschiedlich und Sie haben eben diese Glaubenssätze.
00:20:14: formuliert und ich mache mir keine Illusionen, dass ich da wahrscheinlich diese Glaubenssätze auch in einem kurzen Gespräch wahrscheinlich nicht in der Lage bin, aufzulösen.
00:20:24: Ich kann den nur begegnen.
00:20:27: Und ich denke aber, dass viele sich ja in unsere Behandlung begeben, um auch beraten zu werden.
00:20:35: Und wenn wir eben geschickte Formulierung wählen.
00:20:39: Wenn wir das üben, dann sind wir durchaus in der Lage sozusagen auch zu beraten, ohne vielleicht belehrend zu wirken.
00:20:49: Was ich nicht mache, ist, dass ich ohne den Auftrag sozusagen belehre.
00:20:56: Sondern wenn eine Patientin eine Patient vor mir sitzt und Nackenschmerzen hat und dafür in die Praxis gekommen ist, dann empfinde ich das ja schon auch als Auftrag, die bestmögliche Therapie auch einzuleiten.
00:21:10: Und dazu gehört für mich diese Patienteneducation dazu.
00:21:13: Die ist auch an der Leitlinie empfohlen.
00:21:15: Und dann gibt es ja auch einen Unterschied zwischen Beratung und Belehrung, was die Diktion angeht.
00:21:23: Ich kann mir vorstellen, dass bei manchen Patientengruppen, z. B. bei älteren Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder auch Menschen mit schlechten deutschen Sprachkenntnissen, die die Patienteneducation sehr schwierig durchzuführen sein könnte.
00:21:39: Was machen Sie in solchen Situationen?
00:21:42: Ja, das sind auch Ärzte und Patienten in den Kontakten, die für mich immer ein bisschen frustrierend sind.
00:21:50: wenn also zum Beispiel eine Sprachbarriere besteht oder jemand Kognitis so eingeschränkt ist, dass ich da eben durch meine Beratung oder meine Beratung eher frustran verläuft.
00:22:04: Das sage ich oft.
00:22:05: Studentinnen spenden, die neben mir sitzen.
00:22:06: Hier an der Stelle hatte ich jetzt ein Gefühl, das ist richtig unbefriedigend für mich.
00:22:11: Das kann man nur versuchen, bestmöglich zu lösen.
00:22:16: Also beispielsweise.
00:22:18: gibt es für die Sprachbarriere mittlerweile gute Übersetzungsmöglichkeiten, die man im Sprechzimmer anwenden kann, indem man beispielsweise Software gestützt sich dann über ein App unterhält.
00:22:33: Das erlebe ich als große Erleichterung für diesen Fall und für den Fall, dass eben beispielsweise kognitive Einschränkungen bestehen.
00:22:44: Da versuche ich auch, möglichst die Formulierung so zu wählen, dass da vielleicht es zu einer Einsicht kommt oder zu einem Verständnis kommt, aber das gelingt sicherlich nicht immer.
00:22:56: Was in Ihrer Erfahrungen, wie viele Termine gibt es bei, also mit wie vielen Sitzungen oder mit wie vielen Beratungsterminen es bei Nackenschmerzen zu rechnen?
00:23:06: Wie häufig muss der Arzt oder die Ärztin oder sollte sich die Zeit für so eine umfassende Aufklärung?
00:23:15: Meine Erfahrung ist, dass man, wenn man die wichtigen Botschaften bereits im ersten Kontakt rüberbringt, dass es häufig bei einem Kontakt bleibt.
00:23:25: Bei akuten, nicht spezifischen Nackenschmerzen.
00:23:28: Weil kleine Veränderungen im Alltag der Patienten dann schon für den Moment eine gute Besserung ermöglichen.
00:23:36: Bei
00:23:36: einer guten Episode von Nackenschmerzen kommt es ja auch bei vielen Patientinnen und Patienten nach einigen Tagen zu einer spontanen Besserung, die sie vielleicht noch unterstützen können, indem sie eben im Selbstmanagement, das ist ja auch etwas zu... indem ich die Patienten, den Patienten rate zum Selbstmanagement mit der Anwendung von Bewegung, Wärme, möglicherweise wutzfristig Schmerzmitteln, er kommt jetzt zu einer schnellen Besserung.
00:24:03: Und da muss es nicht immer gleich dann sozusagen an das Eingemachte gehen, an die beruflichen Verhältnisse und so weiter.
00:24:12: Und nach meiner Erfahrung ist es die Minderheit der Fälle, die dann vielleicht noch ein zweites oder auch ein drittes Mal mit einer Episode von akuten Nackenschmerzen zu mir kommt.
00:24:21: Und die Beratung bezüglich Prävention, die ist ja schnell im Prinzip auch gemacht, eben diese Bewegung beizubehalten im Alltag, die Mobilisierungsübung beizubehalten hat ich ja vorhin auch schon gesagt, dass das auch zur Vorbeugung hilft.
00:24:38: Dann gibt es natürlich auch in der hausärztlichen Praxis Zeiten, wie beispielsweise die Beratung im Rahmen einer Gesundheitsuntersuchung, wo dann vielleicht, auch wenn gerade gar keine Nackenschmerzen bestehen, wenn man über Beschwerden berichtet, die immer wieder auftreten, also beispielsweise, dass die Patienten sagen, ja, ich fühle mich eigentlich gesund, aber ich habe immer wieder Nackenschmerzen.
00:24:57: Und dann hat man eben die Gelegenheit und auch mehr Zeit, da eben in die Tiefe zu gehen und zu schauen, wie kann man dem vorbeugen.
00:25:06: Ja, Herr Köter, dann wären wir hier am Ende vom Gespräch angelangt.
00:25:11: Als letzte Frage vielleicht noch für Sie.
00:25:13: Können Sie nochmal einmal zusammenfassen, was Ihnen besonders auf dem Herzen liegt?
00:25:18: Was ist so das Wichtigste, was Ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Haushaltspraxis aus der Leitlinie mitnehmen sollten?
00:25:25: Für mich ist die Kernbotschaft, dass eben das Selbstmanagement der Patientinnen und Patienten bei Nackenschmerzen im Mittelpunkt steht.
00:25:35: Das fördert die Selbstwirksamkeit und entlastet uns vielleicht auch als Hausärztin und Hausärztin.
00:25:40: In dem Fall, wenn wir den Patienten signalisieren, also nachdem ich jetzt hier Befragung und Untersuchungen gemacht habe und mit ausreichender Sicherheit ausschließen kann, dass da eine Ursache dahinter steckt, wo wir jetzt noch irgendwie was spezifisch an Diagnostik oder an spezifische Therapie machen müssen, da legt es im Grunde genommen in ihrer Hand.
00:26:01: Und da brauchen Sie mich nicht mehr dafür, um diese Beschwerden auch wieder loszuwerden.
00:26:07: Also das Selbstmanagement und die Selbstwirksamkeit der Patientinnen und Patienten, das steht im Kern bei guten, nicht spezifischen Dankenschmerzen.
00:26:18: Genau, es gibt ja die Kann-Empfehlung, gibt es ja für die kognitive Verhaltenstherapie im Rahmen eines multimoldalen Behandlungskonzepts.
00:26:26: bei chronischen Nackenschmerzen?
00:26:28: Bei welchem Patienten kommt es denn Ihrer Meinung nach am ehesten in Frage?
00:26:32: Das kommt vor allen Dingen bei Patientinnen und Patientinnen in Frage aus meiner Sicht, bei denen psychosoziale Belastung einen Einfluss auf die Nackenschmerzen auch mit haben.
00:26:43: Also wo das mit einer Rolle spielt und zur Aufrichterhaltung der Schmerzen einen Beitrag leistet.
00:26:48: Und wie ist Ihre Erfahrung bezüglich der Erreichbarkeit von Psychotherapeuten?
00:26:54: Also bekommen die Patienten da Schnelltermine, wenn sie aufgrund von Nackenschmerzen und damit einen Herrengehen und Stress und ähnlichen einen Termin suchen?
00:27:05: Nein, das kann ich ganz klar sagen.
00:27:08: Es ist leider so, dass die Psychotherapie natürlich schwer oder gering verfügbar ist.
00:27:15: Und auch bei unseren Nackenschmerzpatientinnen, das ist da nicht anders.
00:27:20: Gibt es da vielleicht auch Mittel und Wege, wie Patienten sich selbst helfen können auf dieser Ebene?
00:27:28: Ich mir ist jetzt keine beispielsweise spezifische Bekannt, aber es gibt ja auch die digitale Gesundheitsanwendung, also sprich Apps, die gerade im Bereich der Verhaltenstherapie möglicherweise wirksam sein können.
00:27:44: Das kann die Wartezeit bis zu einer kognitiven Verhaltenstherapie verkürzen oder überbrücken.
00:27:50: Da kommt es natürlich auch darauf an, was man denn jetzt als psychosozialen Einfluss oder was man identifiziert hat, was dem Genesen bei Nackenschmerzen entgegenstehen könnte.
00:28:01: Zum Beispiel eine Angststörung bedarf ja einer anderen etwas anders gearteten therapeutischen Ansätze als jetzt zum Beispiel eher wenn depressive Züge eine Rolle spielen.
00:28:11: Aber wie gesagt elektronische.
00:28:13: Lösungen wie Apps könnten damit mit einer Rolle spielen.
00:28:17: Wir haben die Verhaltenstherapie aber auch deswegen natürlich nicht sozusagen nicht empfohlen, weil sie nicht verfügbar ist, sondern wir haben da ja vor allen Dingen die Evidenz bewertet und das was wir für wünschenswert halten.
00:28:29: Also eigentlich, ja, bei vielen Patienten geht es nicht daran vorbei und die Wartezeit muss im Zweifel in Kauf, sollte im Zweifel in Kauf genommen werden.
00:28:38: Genau, das ist in vielen Fällen, glaube ich, eine gute Investition in langfristig Schmerzarmes oder Schmerzreise in Bezug auf Nackenschmerzenlebens.
00:28:47: Welche anderen Gesundheitsberufler werden bei der Therapie von chronischen Nackenschmerzen noch häufig zur Rate gezogen?
00:28:55: Das sind vor allen Dingen die Physiotherapeutinnen.
00:28:58: Und es ist da so, dass Nackenschmerzen ist ja wahrscheinlich, also ist ja eine sehr häufige Indikation zur Physiotherapie.
00:29:07: Ist es da überhaupt noch notwendig, dass die Ärzte irgendwie noch konkrete Hinweise auf dem Überweisungsschein oder so geben?
00:29:14: Oder wie ist da Ihre Erfahrung?
00:29:17: Meine Erfahrung ist, dass es sehr unterschiedlich ist, was tatsächlich in der physiotherapeutischen Praxis passiert.
00:29:22: dass das aber auch nur sehr mittelbar zusammenhängt mit dem, was ich da drauf schreibe.
00:29:27: Das heißt, es ist ohnehin ein wenig abgekoppelt, was in vielen Fällen bei gut qualifizierten Physiotherapeutinnen auch total okay ist.
00:29:36: Und deswegen, ja, Sie fragten ja, ist es wichtig, da spezifische Anweisungen zu geben?
00:29:44: Ich denke eher nicht.
00:29:46: Ich denke, dass was bei Schulterschmerzen ja mittlerweile etabliert ist, nämlich eine Blankuhrverordnung, könnte möglicherweise auch bei Nackenschmerzen Zukunft haben.
00:29:57: Ja, dann vielen Dank für das gesamte Gespräch und die vielen Informationen über die aktualisierte Leitlinie.
00:30:03: Sehr gerne.
00:30:05: Und vielen Dank auch an unsere Zuhörerinnen und Zuhörer, dass sie wieder eingeschaltet haben.
00:30:09: Bis zum nächsten Ärztetag Podcast.
00:30:11: Tschüss!