ÄrzteTag

ÄrzteTag

Transkript

Zurück zur Episode

00:00:06: Willkommen zum Erztetag, dem Podcast der Erze Zeitung.

00:00:09: Mein Name ist Hauke Galloff, ich bin stellvertretender Chefredakteur.

00:00:13: Und in der Leitung begrüße ich heute ein weiteres Mal Katharina Vogtmeier in unserem Erztetag-Podcast zu rechtlichen Fragestellungen.

00:00:23: Heute etwas außer der Reihe.

00:00:26: Nicht zu einem aktuellen Urteil, sondern zum Thema Termine in der Vertragsarztpraxis.

00:00:33: Frau Vogtmeier ist immer noch Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht in der Kanzlei D&B Rechtsanwältin Berlin.

00:00:41: Hallo Frau Vogtmeier.

00:00:42: Guten Tag.

00:00:44: Ja, unser Thema heute ist spannend, vielschichtig komplex.

00:00:49: Wie immer, wenn man mit Juristinnen spricht.

00:00:52: Es ist aber auch emotional.

00:00:55: Im Sommer schlugen die Wellen ja mal wieder hoch, als die Kassen Einmal mehr klagten, dass es für Privatpatienten viel leichter sei, beim Facharzt einen Termin zu bekommen als für Kassenpatienten.

00:01:07: Wenn die Beiträge steigen, sehen sich natürlich die Krankenkassen auch vielleicht sogar noch stärker als sonst unter Recht Fertigungsdruck, was ihre Versicherten denn für ihr Geld auch eigentlich bekommen.

00:01:20: Und in der Diskussion ging es ... Auch teilweise darum, ob Kassenärzte versicherten, wenn Termine knapp sind, dafür sogar Geld abnehmen dürfen, dass sie einen Termin bekommen.

00:01:31: Frau Vogtmeier, diese erste Frage ist gefühlsmäßig leicht zu beantworten.

00:01:37: Für mich als Nichtarzt zumindest.

00:01:39: Mir sträuben sich die Nackenhaare, wenn ich mir vorstelle, dass ich für einen Termin beim HNO-Arzt nur fürs Hinkommen dürfen.

00:01:46: Geld auf den Tisch legen muss.

00:01:48: Aber ist das für Sie als Juristin ebenso eindeutig?

00:01:54: Ja, das ist für uns ganz genau so eindeutig.

00:01:58: Man würde jetzt bei Ihnen sagen, Sie haben da ein gutes Judiz.

00:02:01: Das sieht das Recht auch genauso vor.

00:02:04: Es ist ja nicht immer so, dass Juristen eine andere Antwort geben als das Bauchgefühl.

00:02:08: Also das gilt für Privatärzte, das gilt für Vertragsärzte.

00:02:12: Also ganz egal, in welchem Bereich man arbeitet.

00:02:16: gilt, man darf für die Vergabe von Terminen an sich kein Geld verlangen.

00:02:22: Für Privatärzte ergibt sich das aus dem Grundsatz, dass alle Leistungen, die die abrechnen, nach der GOE abgerechnet werden.

00:02:31: Und die GOE kennt keine Position für die Terminvergabe.

00:02:36: Wer also eine Position, die es in der GOE dafür nicht gibt, abrechnet.

00:02:41: Der verstößt nicht nur gegen die GOE, sondern auch gegen das Berufsrecht, weil das Berufsrecht sagt, man darf im Grundsatz, wenn was anderes nicht in dem Gesetz steht, nur nach der GOE abrechnen.

00:02:53: Und möglicherweise macht man sich sogar wegen Abrechnungsbetruges strafbar, wenn man den Eindruck erweckt, es gäbe so eine Position.

00:03:06: Auch Privatärzte dürfen sowas nicht.

00:03:08: Und für Vertragsärzte sieht das im Ergebnis genau gleich aus.

00:03:13: Mit den Kassen können die sowieso nur nach EBM abrechnen.

00:03:17: Und im EBM gibt es keine Position für die Terminvergabe.

00:03:21: Und dann gibt es auch Regelungen im Bundesmantel Vertragärzte.

00:03:26: Das Vertragsärzte nur in ganz bestimmten Ausnahmenfällen vom Versicherten direkt eine Vergütung fordern dürfen.

00:03:34: Und diese Voraussetzung zum Beispiel, der Versicherter legt keine versicherten Karte vor oder erwillene Privatbehandlung, die liegen hier nicht vor.

00:03:43: Aber selbst wenn man so einen Fall hätte, wenn ein Vertragsarzt von einem Versicherten eine Vergütung direkt verlangen darf, muss das auch wieder nach der Geo-E gehen.

00:03:54: Und da schließt sich der Kreis, das kennt die Geo-E nicht.

00:03:57: Und vielleicht als letzter Hinweis zu dieser ja noch einfachen Frage, möchte ich auch nur hundertundzwanzig Absatz fünf des Sozialgesetzbuches fünf hinweisen.

00:04:09: Da ist vor gar nicht so langer Zeit eingefügt worden, dass Vertragsärzte die unzulässige Zuwendungen fordern oder annehmen oder versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung drängen gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten verstoßen.

00:04:26: Wer also als Vertragsarzt Geld fordert, einfach nur dafür, dass er einem Patienten einen Termin gibt, der verstößt damit gegen Berufsrecht und auch gegen Vertragsarztrecht.

00:04:39: Und da könnten die Konsequenzen, wenn das rauskehme, schon sehr schwerwiegend sein.

00:04:46: Eine kleine Hintertür vielleicht, eine Analog-Ziffer.

00:04:51: Was sagen Sie dazu?

00:04:53: Nette Idee.

00:04:54: Aber nein, einer Analogzipper könnten wir ja nur da uns irgendwo herdichten, wo wir sagen, das ist eine neue medizinische Leistung, die im EBM noch nicht enthalten ist.

00:05:06: Und die Terminvergabe, ich glaube, die können wir nicht ganz als medizinische Leistung durchreden.

00:05:12: Wirklich nicht.

00:05:14: Welchen Grund?

00:05:15: Kann es denn eigentlich geben, auf so eine Idee zu kommen, mal ganz unjuristisch gefragt?

00:05:19: Ich meine, wenn ein Facharzt weiß, dass er für die nächste Behandlung wegen Budgetüberschreitung eh kein zusätzliches Geld mehr erhält, dazu kommen wir gleich auch noch ein bisschen ausführlicher, dann könnte er sich auf diese Weise ja zumindest ein bisschen entschädigen.

00:05:32: Kann das vielleicht legitim, wenn schon nicht legal sein?

00:05:36: Ich bin ja Juristin und keine moralische Instanz.

00:05:41: Ich würde jetzt sagen, nein, das kann es nicht sein.

00:05:46: Man muss dieses Problem auf anderen Wege lösen.

00:05:48: Das ist ein Problem natürlich, wenn man an die Budgetgrenzen kommt.

00:05:52: Aber Prinzip kann nicht sein, dann Geld von den Versicherten zu verlangen, die ja für die Versicherung schon Geld zahlen.

00:06:00: Deswegen sieht der Gesetzgeber, das auch so kritisch Geld für Termine beispielsweise zu fordern, weil der Grundsatz im deutschen Versicherungssystem ist, der Patient zahlt an seine Versicherung und für diese Zahlung bekommt er die ärztlichen Leistungen.

00:06:16: Wir bräuchten nicht alle an die Versicherungen zu zahlen, wenn wir dann auch noch zusätzliche Zahlungen an die Ärzte leisten.

00:06:25: Also da würde das gesamte System eingerissen.

00:06:28: Die Lösung muss man anders suchen.

00:06:30: Okay, dann kommen wir jetzt zum zweiten Teil.

00:06:35: Vielleicht ergibt sich daher eine Lösung.

00:06:38: Könnte ein Vertragsarzt Termine mit Kassenpatientinnen und Patienten ablehnen, während er gleichzeitig noch Termine mit Privatpatienten vergibt?

00:06:49: Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

00:06:53: Auf die Frage habe ich natürlich schon gewartet, weil ich jetzt die liebste Antwort eines jeden Juristen reden kann.

00:06:59: Und das ist, es kommt drauf an.

00:07:01: Also hier sind wir aus dem Gebiet von einfachen Antworten raus.

00:07:05: Ganz einfach ist die Antwort für reine Privatärzte, weil die haben ja keine Pflicht, gesetzlich Versicherte anzunehmen.

00:07:14: Niemand muss eine Zulassung beantragen.

00:07:16: Also die können jederzeit sagen, ich nehme keinen gesetzlich Versicherten.

00:07:20: Interessanter wird es...

00:07:21: Die dürften den ja auch gar nicht abrechnen.

00:07:23: Ein Arzt, der nicht als Vertragsarzt zugelassen ist, der darf ja eh nur nach GOE abrechnen.

00:07:29: Der darf ja gar nicht EWM abrechnen.

00:07:33: Aber es könnte einen gesetzlich versichert dazu ihm kommen und aktiv sagen, ich möchte aber bei ihnen als Selbstzahler behandelt werden.

00:07:39: Genau.

00:07:40: Genau, so geht das.

00:07:42: Genau.

00:07:42: Und das kann er annehmen, das muss er aber nicht.

00:07:48: Der Vertragsarzt, der zusätzlich noch einen anderen Privatstandort hat.

00:07:54: Da wird es schon komplizierter.

00:07:57: Da hat sich die Rechtsprechung nämlich schon vor langer Zeit gefragt, darf der an einem anderen Standort mehr Leistungen für Privatpatienten erbringen als für besetzlich versichert.

00:08:10: Man könnte als Arzt ja auf die Idee kommen, ich habe einen Vertragsarztzitz und da erbringe ich vielleicht nur eingeschränkt Leistungen und mache dann noch eine Privatpraxis auf und erbringe da viel mehr Leistung.

00:08:24: Und da hat die Rechtsprechung gesagt, zum Beispiel schon, das geht nicht.

00:08:27: Wenn ich dann an meinem Privatstandort einen vertragsärztlichen Patienten ablehne, und sagen, nee, für Vertragspatienten, für Kassenpatienten, erbringe ich diese Leistung nicht.

00:08:38: Das darf vor mal nicht sein.

00:08:41: Der Vertragsarzt muss, wenn er eine Privatpraxis aufmacht, alle wesentlichen Leistungen seines Fachgebietes auch in der Vertragsarztpraxis anbieten.

00:08:52: Also diese Idee zu sagen, gewisse Leistungen biete ich nur für Privatpatienten an, das funktioniert nicht.

00:09:00: Ich darf für Privatpatienten weniger anbieten als für Gesetzlichversicherte, aber nicht andersrum.

00:09:05: Ja, man könnte natürlich sagen, es gibt Leistungen, die von der GKV nicht in der GKV-Leistungspflicht sind.

00:09:12: Die kann man natürlich anbieten und dann auch nur sich privat bezahlen lassen, oder?

00:09:17: Genau, das ist überhaupt kein Problem.

00:09:19: Das steht auch explizit drin im Bundesmantelvertrag.

00:09:22: Ärzte.

00:09:23: Aber da, wo eine Leistung im vertragsärztlichen Leistungsumfang ist, da muss ich sie dann auch anbieten und kann nicht sagen, die biete ich nur für Privatpatienten.

00:09:34: Okay.

00:09:34: Und wenn ich jetzt einen solchen zweiten Standort habe, dann kann ich auch natürlich nicht nur dort Termine anbieten und am vertragsärztlichen Standort drastisch das Angebot einschränken, oder?

00:09:51: Richtig.

00:09:52: Und da haben wir jetzt das Problem, dass es im Prinzip sich auf die Frage zuspitzt, wann bin ich denn als Vertragsarzt an einem Punkt, wo ich legitimerweise sagen kann, ich darf jetzt vertragsärztliche Patienten ablehnen.

00:10:09: Da könnte man ja einfach mal leinmäßig auf die Idee kommen, erstens, wenn ich keine Kapazitäten mehr habe, zweitens, will ich mir vielleicht gewisse Zeiten für Privatpatienten frei halten oder, was Sie gerade schon angesprochen haben, ich habe vielleicht die Budgetgrenze erreicht und werde für die weitere Behandlung von Kassenpatienten überhaupt nicht bezahlt.

00:10:28: All das wurde schon versucht und es funktioniert eigentlich nur dann, wenn man tatsächlich keine Kapazitäten mehr hat.

00:10:38: Denn aus dem Bundesmantelvertrag Ärzte ergibt sich, dass man nur unter ganz bestimmten wenigen Voraussetzungen die Behandlung eines gesetzlich Versicherten ablehnen darf.

00:10:51: nie der Fall, weil ich beispielsweise die Budgetgrenze erreicht habe oder weil ich Kapazitäten für Privatpatienten frei halten will.

00:10:59: Der einzige Grund, den die Rechtsprechung bislang anerkannt hat, ist das Erreichen der Kapazitätsgrenze oder wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zerstört ist.

00:11:10: Und dann stellt sich die gar nicht so leicht zu beantwortende Frage, wann ist denn eigentlich eine Kapazitätsgrenze erreicht?

00:11:17: Wann kann ich wirklich nicht mehr?

00:11:20: Und da haben wir ein relativ neues Urteil aus München, wo erst mal so von der Indizienwirkung ausgegangen wurde.

00:11:30: Wenn ich am gleichen Tag noch Privatpatienten behandle, dann spricht das nach Auffassung des SG München dagegen, dass ich keine Kapazitäten mehr

00:11:39: habe.

00:11:40: Ansonsten haben wir nur alte Rechtsprechung und diese ist sehr Ärzte unfreundlich.

00:11:46: Ich komme aber gleich noch darauf zu sprechen, warum ich der Meinung bin, dass das möglicherweise heute gar nicht mehr greift.

00:11:52: Früher hat das Bundessozialgericht gesagt, Man muss grundsätzlich vollständig in der vertragsärztlichen Versicherung zur Verfügung stehen.

00:12:01: Wenn ich eine Zulassung habe, dann heißt das nicht, dass ich ein gewisses Minimum zu erbringen habe, sondern ich habe meinen Patienten vollumfänglich zur Verfügung zu stehen.

00:12:10: Und deswegen hat es auch gesagt, das Erreichen der Budgetgrenze führt nicht dazu, dass sich weitere Behandlungen von vertragsärztlich Versicherten ablehnen darf.

00:12:22: Jetzt zu dem Aber.

00:12:24: Diese Rechtsprechung ist noch aus dem Jahr two-thausend-eins und damals wurde auf BG Grenzen noch voll anders begrechnet.

00:12:30: Das heißt, es hat niemand entschieden, ob das bei der heutigen Art und Weise, wie BG Grenzen errechnet werden, überhaupt noch gelten kann.

00:12:39: Nehmen wir mal das Job-Sharing, wo es ja wirklich eine ganz harte Grenze gibt.

00:12:45: Das BSG hat noch nie entschieden, ob in solchen Fällen wirklich gilt, auch dann darf man gesetzlich versichert und nicht ablehnen.

00:12:52: Man darf ja seine Leistungsmenge nicht ausdehnen.

00:12:57: Genau, richtig.

00:12:59: Und das heißt, diese sehr ungünstige Rechtsprechung aus dem Jahr, die ist auf einer noch völlig veralteten Rechtslage entschieden worden.

00:13:10: Und nach meiner Auffassung wird es schwierig, sich darauf heute noch zu stützen.

00:13:14: Das heißt, wir müssen uns heute eigentlich eigene Gedanken machen, wie würde man das denn wohl heute entscheiden?

00:13:23: Und da gibt es meiner Meinung nach einige interessante Ansatzpunkte, wo man schon sagen könnte, es gibt Fälle, wo Ärzte sagen können, ich nehme Kassenpatienten jetzt nicht mehr an.

00:13:38: Ich hab mir da auch selber so ein paar Szenarien ausgedacht.

00:13:42: Wenn ich Ihnen da jetzt mal ganz frech ins Wort fallen darf, sagen wir mal, wenn ich jetzt ein Vertragsarzt bin, der besonders pflichtbewusst ist und seine einundfünfzig Wochen stunden, das ist ja angeblich oder fünfzig und ein bisschen stunden vertragsärztlich gearbeitet habe.

00:14:04: sagen wir, auf thirty-fünf Stunden Sprechstunde, der Rest ist dann Bürokratie, also Verwaltungsarbeit, das ist ja vielleicht der Schnitt im Moment, aber alles voll mit Kassenpatiententerminen.

00:14:15: Wäre ich dann in der Lage oder dürfte ich dann für einen Termin, der dann angefragt wird, einen Privatpatienten bevorzugen?

00:14:26: Aus Kapazitätsgründen.

00:14:29: Genau.

00:14:30: Nach meiner Auffassung müsste das gehen.

00:14:32: Wir müssen uns ja fragen, was können wir von einem Vertragsarzt verlangen, was muss er leisten?

00:14:38: Und da gibt es zwei Ansatzpunkte.

00:14:41: Zum einen gibt es Gesetz vor, dass ein Arzt mit einer vollen Zulassung, von fünfundzwanzig Sprechstunden mindestens anbieten muss.

00:14:48: In ihrem Beispiel hat der Vertragsarzt ja schon wesentlich mehr Angebote.

00:14:53: Außerdem können wir eine Parallele zum Angestellten ziehen.

00:14:56: Da sagt man, dass eine volle Anstellungsgenehmigung vierzig Stunden Arbeit entspricht.

00:15:02: Und auch diese Zahl hat der Arzt in ihrem Beispiel ja überstiegen.

00:15:07: Das heißt aber im Umkehrschluss, wenn der Arzt vollständig aufhören würde zu arbeiten, nach Hause geht, Fischen geht oder in seiner Praxis sitzt und Däumchen dreht, würde ihm niemand einen Vorwurf machen.

00:15:18: Niemand könnte von ihm verlangen, noch mehr Vertrags.

00:15:22: Patienten zu behandeln.

00:15:24: Er dürfte auch eine Nebentätigkeit ausüben.

00:15:27: Busfahrer sein, was auch immer sie sich ausdenken können.

00:15:30: Und wenn wir davon ausgehen, niemand kann von ihm verlangen, mehrgesetzlich Versicherte zu behandeln und er darf eine Nebentätigkeit ausüben.

00:15:38: Dann sehe ich nicht, wie man ihm verbieten könnte, diese Nebentätigkeit als Privatarzt auszuüben.

00:15:45: Und dann hat er halt seine vertragsärztliche Praxis zu den Zeiten nicht mehr geöffnet.

00:15:51: Er darf die Privatpatienten nicht zu den Zeiten annehmen, die seine vertragsärztlichen Sprechstunden sind.

00:15:59: Aber wenn seine vertragsärztlichen Sprechstunden erfüllt sind und in Zeiten, die eben nicht diese Sprechstunden sind, dann gibt es nach meiner Auffassung kein Argument, ihm eine privatärztliche Tätigkeit zu verbieten.

00:16:11: Und da kann er selbstverständlich sagen, hier nehme ich jetzt Privatpatienten bzw.

00:16:17: Selbstzahler.

00:16:18: Okay, ja genau.

00:16:19: Und wenn ich jetzt bei fünfundzwanzig Stunden wäre, also gerade meine Pflicht erfüllen würde, plus Verwaltungstätigkeit, dann bin ich vielleicht bei siebenunddreißig Stunden, auch ja eigentlich der Umfang einer Vollzeittätigkeit heutzutage in vielen Beschäftigungen bei Angestellten, wäre das dann dasselbe oder wäre da dann noch Spielraum?

00:16:45: Ich würde sagen, dass ich mir etwas unsicherer bin, wie das Bundessozialgericht wohl entscheiden würde, wenn so ein Fall dort landen würde.

00:16:53: Das Argument greift in dieser Konstellation genauso, denn die Mindestsprechstundenzeiten sind erfüllt und auch der Stundenumfang ist für eine volle Zulassung völlig ausreichend.

00:17:06: Das heißt, man könnte diese Argumentation genauso vortragen.

00:17:10: Man muss ein bisschen berücksichtigen, dass das Bundessozialgericht, insbesondere bei vollen Zulassungen, immer

00:17:17: noch

00:17:18: die Tendenz hat zu sagen, das ist eben nicht eine Tätigkeit, die ärztliche, die... nach der Stechur erfolgt.

00:17:29: Man hat bei einer vollen Zulassung grundsätzlich auch seine voller Arbeitskraft der vertragsärztlichen Tätigkeit zu bitten.

00:17:37: Andererseits hat das BSG bei der Frage, welche Nebentätigkeiten mit der Vertragsärztätigkeit vereinbar sind, auch schon vor längerer Zeit gesagt, dass Nebentätigkeiten auch neben einer vollen Zulassung unproblematisch in einem gewissen Umfang möglich sind.

00:17:54: Das heißt, das müsste in ihrer Konstellation auch gelten.

00:17:58: Also Sie merken schon, ich winde mich ein bisschen rum.

00:18:01: Nach meiner Auffassung müsste das in diesem zweiten Beispiel auch gehen.

00:18:05: Aber es ist etwas unsicherer, wie unsere höchsten Sozialrichter das entscheiden würden.

00:18:11: Besser ist, man macht die vorhin vierzig Stunden, macht vielleicht auch ein, zwei Sprechstunden mehr.

00:18:16: Aber das ist nur für Sicherheit.

00:18:18: Das Argument, finde ich, greift.

00:18:22: Also nach Ihrer Definition an der Kapazitätsgrenze binden und ein Patient kommt in die offene Sprechstunde, dann muss ich ihn behandeln, oder?

00:18:32: Richtig, die offenen Sprechstunden sind sowieso ja immer auch anzukündigen und durchzuführen.

00:18:41: Und das ist auch so ein bisschen, das Schlupfloch ist vielleicht falsch formuliert, aber ... Weshalb man nicht gut beraten wäre, Vertragspatienten einfach nur zu sagen, ich habe überhaupt keine Termine mehr, ich nehme nur noch Selbstzahler an.

00:19:02: Jedenfalls den Hinweis auf die offene Sprechstunde würde ich doch empfehlen.

00:19:09: Okay, das sind ja fünf Stunden pro Woche, glaube ich, nicht?

00:19:14: Genau.

00:19:15: Und was ist eigentlich, wenn so eine offene Sprechstunde total überläuft?

00:19:19: Also ein sehr beliebter Facharzt oder eine Fachärztin, wir reden im Moment immer nur von den Ärzten oder dem Vertragsarzt, aber wir meinen natürlich immer auch die Vertragsärztin und die Vertragsärztinnen, das nur so als kleine Nebenbemerkung.

00:19:37: Also wie ist es, wenn so eine offene Sprechstunde komplett überläuft?

00:19:44: Das heißt, plötzlich ist statt der eine Stunde, die vielleicht am Montag eingeplant ist, daraus werden daraus drei Stunden, weil so viele Patienten gekommen sind.

00:19:54: Gibt es da eigentlich Grenzen?

00:19:56: Keine, die im Gesetz stehen, aber sie ergeben sich quasi im Umkehrschluss.

00:20:00: Wenn ich fünf offene Sprechstunden machen muss die Woche und entweder fünf am Stück anbiete oder halt vielleicht jeden Tag eine, wie in Ihrem Beispiel jetzt.

00:20:09: Dann ist nach dieser Zeit auch Schluss mit offener Sprechstunde.

00:20:14: Dann darf ich als Arzt auch sagen, jetzt ist keine offene Sprechstunde mehr.

00:20:20: Ob ich das mit Patienten tun will und die, nachdem sie gewartet haben, wie ich nach Hause schicken will, ist eine andere Frage rechtlich gesehen.

00:20:27: Darf ich es aber?

00:20:28: wichtige Ausnahme.

00:20:30: Wenn jemand akut behandlungsbedürftig ist, dann darf ich ihn natürlich nicht wegschicken.

00:20:35: Aber nehmen wir jetzt jemanden an, der hat sich keinen Termin gemacht, weil er darauf so lange warten müsste, hat irgendetwas, was nicht akut behandlungsbedürftig ist, dann darf ich den nach Ablauf der offenen Sprechstunde auch darauf hinweisen, dass er jetzt leider nicht mehr behandelt werden kann, weil die offene Sprechstunde vorbei ist und dass er bitte einen Termin machen muss.

00:20:57: Okay.

00:20:58: Meistens

00:20:58: erkennt man das auch vorher.

00:21:00: Wenn schon fünf Leute in der offenen Sprechstunde sitzen und warten und der Sechste kommt rein, bietet es sich natürlich an zu sagen, wir wissen nicht, ob sie noch dran kommen können.

00:21:10: Aber der Arzt muss nicht behandeln, bis er jeden Patienten gesehen hat.

00:21:19: Wie ist es eigentlich?

00:21:20: Fünfundzwanzig Stunden muss sich Sprechstunde machen.

00:21:23: Wer überprüft eigentlich?

00:21:25: Ob ich da nicht auch Privatpatienten behandle?

00:21:28: Ich glaube, das überprüft niemand.

00:21:30: Auf jeden Fall wäre ich mir nicht im Klaren darüber, wie man das überprüfen könnte.

00:21:36: Es ist auch im Prinzip gar nicht verboten, während der Sprechstunden Privatpatienten zu behandeln.

00:21:42: wenn keine Kassenpatienten da sind.

00:21:45: Sprechstunde heißt erstmal einfach nur, dass ich diese Zeit für gesetzlich Versicherte zur Verfügung stehen muss.

00:21:52: Ich erfülle die Sprechstunde, also auch wenn ich in meiner Praxis sitze, aber da ist gar kein Versicherter.

00:21:58: Wenn meine Praxis leer wäre und dann käme ein Privatpatient rein, dann muss ich den nicht wegschicken, dann darf ich den auch behandeln.

00:22:06: Es wird nur in der Realität so sein, dass dieses Szenario selten vorkommt.

00:22:12: Ja,

00:22:12: das ist wohl so, ja.

00:22:15: Das Kapazitätsargument hat ja mit der Budgetgrenze letztlich nicht wirklich was zu tun.

00:22:23: Sie haben ja eben gesagt, das Erreichen der Budgetgrenze ist kein Grund, jemanden wegzuschicken.

00:22:31: war es auf jeden Fall nach der alten Rechtsprechung.

00:22:33: Das ist das, wo die Unsicherheit so ein bisschen herkommt.

00:22:36: Damals wurde das Budget anders berechnet.

00:22:39: Das Honorarecht hat ja vielzählige Änderungen erfahren seit dem Jahr.

00:22:45: Ob das BSG das heute auch noch so sehen würde.

00:22:48: Das ist schwer voraus zu sehen.

00:22:50: Es muss auf jeden Fall nicht so sein.

00:22:53: Gut.

00:22:56: sagen wir jetzt noch mal das letzte Szenario, was ich mir überlegt habe.

00:23:01: Also ich habe einen Arzt, der ist an der Kapazitätsgrenze oder die.

00:23:06: Und es ist so, dass eineinhalbzig Wochen Stunden Arbeit ist sozusagen dokumentiert.

00:23:15: Jetzt gibt es einen Patienten, der will ganz dringend einen Termin haben.

00:23:19: Aber es sind keine Termine mehr frei für Kassenpatienten.

00:23:24: Und der kommt vielleicht auch in der offenen Sprechstunde mal deswegen nicht zum Zuge.

00:23:29: Wenn jetzt der Patient sagt, okay, ich will mich darauf nicht einlassen, jede Woche dreimal bei Ihnen zu sitzen und dann doch nicht in der offenen Sprechstunde zum Zuge kommen, ich will aber diese Behandlung und ich will unbedingt von Ihnen behandelt werden und von mir aus zahle ich auch dafür.

00:23:47: Darf ich das?

00:23:50: Ja, solange die vertragsärztlichen Pflichten erfüllt sind, wie wir es gerade dargelegt haben.

00:23:54: Der Vertragsarzt hat schon seine Sohn so viel Stunden, Sprechstunden gemacht.

00:23:58: Dieser Patient sagt, ich will privatärztlich behandelt werden.

00:24:03: Das muss vom Patienten ausgehen.

00:24:05: Der Vertragsarzt darf ihn nicht dazu drängen.

00:24:09: Wenn der Patient aber von sich aus sagt, ich wünsche eine Privatbehandlung, dann ist das zulässig, solange vorher alle vertragsärztlichen Pflichten erfüllt worden sind.

00:24:20: Es sind aber dann schon auch einige Formalier zu beachten, oder?

00:24:24: Zum Beispiel Kostenvorenschlag und Bedenkzeit und so was, oder?

00:24:30: Ein Kostenvoranschlag?

00:24:32: wäre mir jetzt nicht bekannt, dass man das machen muss, aber man muss den Patienten darauf hinweisen, dass das eine Privatbehandlung ist und man muss sich das auch schriftlich geben lassen, dass er ausdrücklich eine Privatbehandlung wünscht und dass er sich das Umstandes bewusst ist, dass er das von seiner Krankenversicherung nicht erstattet bekommt.

00:24:49: Also Patientenrechte gesetzt, da habe ich irgendwie im Hinterkopf, dass da eigentlich auch relativ konkret schon gesagt werden muss, wie hoch die Kosten sein werden, könnte das sein?

00:25:00: Also da irgendwie Paragraph, irgendwas, BGB, ist das ja dann?

00:25:08: Also, da es nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckt wird.

00:25:14: die voraussichtlichen Kosten, wenn sie das, also so ein grobes, wenn sie das mit Kosten voranschlagen, meinen dann ja, aber es ist jetzt nicht so wie beim Handwerker, dass jede einzelne Position schon angesetzt wird.

00:25:25: Also ich muss dem sagen, Sie müssen so rechnen mit, aber das ist noch, das muss nicht... ein schriftlicher Kostenvoranschlag sein im Sinne von, ich wisse jede GOE-Position auf, die anfallen wird.

00:25:38: Okay.

00:25:39: Also ich erinnere mich da auch an diese zehn Igel-Gebote, die ja irgendwann mal vom Ärzte-Tag, ich glaube in Magdeburg war das vor vielen Jahren.

00:25:48: Da gehörte, meine ich auch, dazu eben eine Aufklärung über die voraussichtlichen Kosten.

00:25:52: Genau, voraussichtliche

00:25:55: Kosten, das ist dann aber, also ... Das ist mehr so eine grobe Richtung.

00:26:04: Der Patient soll sich schon darauf einstellen können, was kommt hier ungefähr auf mich zu?

00:26:08: Reden wir von hundert Euro, reden wir von tausend Euro.

00:26:12: Aber wie viel es genau ist, kann der Arzt ja erst nach der Untersuchung auch entscheiden, wenn er weiß, wie Aufwand und Schwierigkeit war.

00:26:23: Ja, dann sind wir eigentlich, glaube ich, mit dem Thema ganz gut.

00:26:28: durchgekommen.

00:26:30: Es ist ja immer auch ein bisschen so eine Neidebatte, die da auch ein bisschen von den Krankenkassen manchmal geschürt wird, hat man das Gefühl zumindest.

00:26:40: Und es ist auch etwas, was Was ich den Eindruck habe, zuletzt wieder ein bisschen an Intensität gewonnen hat.

00:26:51: Und ich habe jetzt gerade die Zahlen vom Statistischen Bundesamt gesehen, die Privatanteile, die so vor und auch während der Pandemie ein bisschen runtergegangen sind, also die Anteile der Privatbehandlung an dem Gesamteinkommen der Ärzte, die sind jetzt zuletzt wieder und zwar gar nicht so wenig gestiegen.

00:27:16: Ich glaube, um zwei Prozentpunkte, wenn ich das richtig gesehen habe, könnte das damit zu tun haben, dass der Druck vielleicht doch im Kessel der Kassenmedizin im Moment deutlich steigt und dass dann vielleicht solche Terminphänomene, sagen wir mal, zu beobachten sein könnten.

00:27:36: Vielleicht ein bisschen Spekulation zum Schluss.

00:27:41: Ja, kann ich mir natürlich vorstellen, was ich mir auch vorstellen kann im Rahmen von Spekulationen.

00:27:49: Es gibt ja mittlerweile diverse Portale, auch ein ganz bekanntes, wo man Termine buchen kann.

00:27:58: Und das bietet auch die Möglichkeit zu sagen, ich habe nur noch Patienten, der Privatpatient kann nur noch kommen.

00:28:07: Dafür habe ich nur noch Termine frei.

00:28:10: Ich kann mir schon vorstellen, dass diese Möglichkeiten, das so zu steuern, vielleicht auch relativ attraktiv sind.

00:28:20: Und ist das dann tatsächlich auf dem Boden, wie Sie das eben alles erklärt haben?

00:28:27: Also zumindest als Vertragsarzt muss ich da meine Stunden schon abgeleistet haben, sozusagen, oder?

00:28:33: Genau.

00:28:34: Ich halte das für ... riskant, wenn man es pauschal macht.

00:28:39: Man kann es natürlich machen, wenn man wirklich weiß, ich habe jetzt meine Kapazitätsgrenze auch wirklich schon erreicht.

00:28:45: Wenn man das allerdings auf Monate im Voraus einstellt, hätte ich Aage bedenken und das ist vielleicht zum Abschluss auch noch mal ein ganz wichtiger Punkt, weil sich in diesem Bereich natürlich vieles nicht nachweisen lässt.

00:28:59: Wenn man so etwas macht, kann man es aber schon nachweisen.

00:29:04: Offen nur Termine für Privatpatienten anbieten.

00:29:09: Das geht nur, wenn man seine vertragsärztlichen Pflichten schon vollständig erfüllt hat.

00:29:15: Okay.

00:29:16: Gut,

00:29:17: Frau Vogtmeier, vielen Dank für die, wie immer, juristisch klare Einordnung.

00:29:22: In Klammern, das kommt darauf an.

00:29:24: An diesem Satz erinnere ich mich natürlich nicht.

00:29:27: Also Vertragsärzte und Privatärzte seien jedenfalls gewarnt, allein für die Terminvergabe Geld zu verlangen.

00:29:34: Das nehme ich mit.

00:29:35: Aber wer seine vertragsärztlichen Pflichten in Klammern über Klammer zu erfüllt, der kann auch mal sagen, jetzt keine Termine mehr für Kassenpatienten.

00:29:45: Habe ich das richtig zusammengefasst?

00:29:48: Da haben Sie auf jeden Fall meine Überzeugung richtig zusammengefasst.

00:29:52: Ob das nochmal hochkommt zum BSG, weiß ich nicht.

00:29:54: Ich wäre ja eigentlich zu wünschen, dass nicht.

00:29:56: Aber ich bin der Auffassung, das muss dann auch gehen zu sagen, jetzt habe ich meine Pflicht erfüllt.

00:30:02: Jetzt mache ich meine vertragsärztliche Praxis zu.

00:30:06: Gut, vor Gericht und auf vorer See.

00:30:10: Wir werden sehen, vielleicht haben wir auch mal einen Urteil in dieser Richtung, über das wir berichten können.

00:30:14: Vielen Dank an Sie und alles Gute.

00:30:17: Vielen Dank zurück.

00:30:18: Und auch wieder vielen Dank fürs Zuhören.

00:30:20: Bis zum nächsten Erzettag.

00:30:22: Tschüss.

Über diesen Podcast

ÄrzteTag - der Podcast der "Ärzte Zeitung". Wir blicken kommentierend und persönlich auf den Tag, wichtige Ereignisse und Meilensteine. Wir laden Gäste ein, mit denen wir über aktuelle Ereignisse aus Medizin, Gesundheitspolitik, Versorgungsforschung und dem ärztlichen Berufsalltag reden.

von und mit Ärzte Zeitung

Abonnieren

Follow us